Systemische Aufstellungen: Eine kritische Betrachtung

17. November 2023 | Methoden

Ich glaube, du hast schon gemerkt: ich bin ein großer Fan systemischer Aufstellungen! 😊

In einer Aufstellung visualisierst du dein ganz persönliches inneres Bild eines Systems, in dem du dich befindest. Was Systeme sind, habe ich hier erklärt.

Aufstellungsfiguren

Durch diese Visualisierung lassen sich verborgene Dynamiken oder komplexe Verbindungen zwischen Individuen, Familienmitgliedern oder Teammitgliedern erkennen und besser verstehen. So wie du sie wahrnimmst.

Das fördert die Selbsterkenntnis und persönliche Entwicklung.

Manche Menschen zweifeln jedoch an der Wirksamkeit von Aufstellungen. Sie begründen das mit fehlenden wissenschaftlichen Untersuchungen und Belegen.

Tatsächlich wurde bisher nur begrenzt geforscht auf diesem Gebiet und vage Begriffe wie „Feld“ können das Gefühl von „Hokuspokus“ verstärken.

Häufig werden auch die potenzielle psychische Belastung und emotionale Aktivierung bei Teilnehmenden kritisiert, insbesondere wenn traumatische Ereignisse enthüllt werden. Darauf möchte ich in diesem Beitrag eingehen.

Der Stand der Forschung

In unserer Gesellschaft sind wir es gewohnt, überwiegend analytisch-wissenschaftlich-rational zu denken. Daher erscheint uns das, was in Aufstellungen passiert, oft rätselhaft, insbesondere das Phänomen der „repräsentierenden Wahrnehmung“.

Diese ist ein zentraler Aspekt von Aufstellungsarbeit und bezeichnet das Phänomen, dass Repräsentierende während der Dauer einer Aufstellung spontan Veränderungen der körperlichen Selbst- und Fremdwahrnehmung erleben. Die Wahrnehmungen der Stellvertretenden spiegeln die Zustands- und Beziehungsqualitäten des von ihnen jeweils repräsentierten Systemelementes.

Beachte, dass konkrete Einzelaussagen in den Aufstellungen nicht als absolut wahr oder sicher für das reale System anzusehen sind. Sie unterliegen immer einer gewissen Unschärfe. Trotzdem kannst du die Gesamtaussage einer Aufstellung als Ausgangspunkt hernehmen, um deine Selbst- und Fremdwahrnehmung abzugleichen.

Aufstellende bestätigen immer wieder, dass sie einzelne Aussagen von Repräsentierenden als sehr stimmig für die vertretenen Personen wiedererkennen. Das ist genauso verblüffend wie unerklärlich und dennoch passiert es!

Spiegelneuronen

Einen möglichen Erklärungsansatz dafür liefert die Neurobiologie.

Wir verfügen über Spiegelneuronen. Das sind Nervenzellen im Gehirn, die es uns ermöglichen, Handlungen anderer Menschen nachzuahmen. Das ist ein wichtiger Mechanismus für das Lernen und Entwickeln sozialer Fähigkeiten.

Spiegelneuronen

Spiegelneuronen helfen uns auch, uns in die Gefühle und Erfahrungen anderer Menschen hineinzuversetzen.

Das macht uns zu mitfühlenden, empathischen Wesen. Wir spüren, wie es anderen Menschen geht.

Schon als Kinder können wir Signale unserer Eltern auffangen, auch Signale, dass sie über etwas traurig oder entsetzt sind. Dies speichern wir ab und lassen uns unbewusst davon beeinflussen. Auch noch Jahre oder Jahrzehnte später. In einer Aufstellung können wir dieses abgespeicherte, aber aus dem aktiven Bewusstsein verdrängte Wissen wieder ans Licht bringen.

Wieso wir aber auch Gefühlszustände von Menschen wahrnehmen können, die gar nicht im Raum sind, die wir nicht kennen und die vielleicht schon verstorben sind, das kann man mit den Spiegelneuronen nicht erklären.

Morphogenetische Felder

Dafür eignet sich schon eher der Erklärungsansatz der „Wissenden Felder“ des deutschen Systemaufstellers Albrecht Mahr. Sein Ansatz basiert auf der Theorie der morphogenetischen/morphischen Felder des englischen Biologen Rupert Sheldrake.

Vor über 30 Jahren provozierten Sheldrakes Thesen, nachdem alle Lebewesen im Universum miteinander verbunden sind, den Wissenschaftsbetrieb ganz außerordentlich.

Bekannt wurde er u.a. mit seinem „Dog-Experiment“, das sicher viele Hundebesitzer:innen schon selbst erlebt haben: er:sie macht sich – weit weg von zu Hause – auf den Heimweg, und daheim reagiert der Hund auf einmal ganz aufgeregt und wartet am Fenster auf seine:n Besitzer:in.

Für sein Experiment stattete Sheldrake die Hunde und ihre Besitzer:innen mit Kamera und Sekundenzähler aus.

Per Zufallsauslösung wurde den Hundebesitzer:innen das Signal gegeben, sich auf den Heimweg zu machen.

Augenblicklich reagierten viele der Hunde zuhause und gingen ans Fenster, wo sie bis zur Ankunft ihrer Besitzer:in warteten.

Verblüffend, oder?

Hund am Fenster

Bis heute bleiben die „wissenden“ oder morphischen Felder jedoch eine Hypothese. Sie konnten noch nicht nachgewiesen werden.
Was ja nicht heißen muss, dass es sie nicht gibt. 😉

Quantenphysik

Spannend und vielversprechend ist der Ansatz aus der Quantenphysik. Hier hat sich u.a. Dipl.-Ing. Thomas Gehlert intensiv mit der Frage beschäftigt, inwiefern wir uns während einer Aufstellung quantenmechanisch mit dem Informationsfeld anderer Personen (oder Dinge) verschränken können.

Diese Verschränkungen können über Raum und Zeit hinweggehen. Das würde erklären, warum wir auch Empfindungen längst verstorbener Ahnen in einer Aufstellung wahrnehmen können. Allerdings ist der Nachweis schwierig und auch hier gibt es wissenschaftliche Bedenken und Kritik.

Ein kleines bisschen Magie

Du siehst, die wissenschaftliche Erklärung der repräsentierenden Wahrnehmung ist ein hochkomplexes Thema. Mit herkömmlichen Kausalitätsvorstellungen und Informationsübertragungskonzepten lässt sie sich bisher nicht umfassend erklären.

Der Umstand, dass es keine wissenschaftlich abgesicherten Erklärungen gibt, ist jedoch kein Beleg dafür, dass die repräsentierende Wahrnehmung nicht existiert!

Es bleibt die „Hypothese einer neuen Wahrnehmungsmöglichkeit“ (Insa Sparrer) für die Phänomene, die sich in Aufstellungen zeigen.

Zumindest kann man festhalten, dass sich in den letzten Jahren die Weltansicht auch bei einigen Wissenschaftler:innen verändert hat. Viele beginnen, ein Verständnis für eine ganzheitliche Wirklichkeit zu entwickeln, in der es noch vieles zu entdecken gibt.

Tatsächlich geht es auch mir so. Als Elektrotechnik-Ingenieurin ist es für mich normal, Sachen zu analysieren und wissenschaftlich zu hinterfragen. Meine Erfahrung hat mich aber gelehrt, dass es Phänomene gibt, die wir mit unseren heutigen wissenschaftlichen Möglichkeiten noch nicht erklären können.

Ich frage dich nun: ist das überhaupt nötig?

Magie

Ist es nicht manchmal einfach wunderschön, verblüfft festzustellen, dass irgendetwas funktioniert obwohl man es nicht erklären kann?

Wissenschaftliche Belegbarkeit

Eine wissenschaftliche Studie habe ich aber doch noch für dich:

2013 wurden Aufstellungen am Institut für Medizinische Psychologie des Universitätsklinikums Heidelberg wissenschaftlich untersucht. An der Studie nahmen 208 Erwachsene in zwei Gruppen teil, die relativ gesund waren, also keine schweren psychischen Störungen wie Ängste oder Depressionen aufwiesen. Die eine Gruppe stellte auf, die andere Gruppe war die wartende Kontrollgruppe.

Die Untersuchungen zeigten, dass bei den Teilnehmenden, die ein Anliegen aufstellen ließen, sich nach zwei Wochen signifikant niedrigere psychische Belastungen zeigten und dass dieser Effekt auch nach vier Monaten stabil blieb. Der Effekt war zwar geringer als bei einer Psychotherapie, die aber geht auch über mehrere Monate!

Veränderung geschieht durch Erfahrung, nicht durch Deutung

Was für dich vielleicht nachvollziehbar ist, ist, dass allein das dreidimensionale Sichtbarmachen von inneren Bildern und die Darstellung von Beziehungen, Strukturen und Dynamiken innerhalb von Systemen Klarheit und Erkenntnis bringt.

Am besten ist es aber immer noch, wenn du eine Aufstellung und die damit verbundenen Effekte einmal selbst erfährst, indem du es ausprobierst! Wie schon im letzten Beitrag geschrieben: Veränderung geschieht durch Erfahrung, nicht durch Deutung.

Kritik an Aufstellungsarbeit

Die meisten Menschen, die eine moderne systemische Aufstellung miterlebt haben, berichten positiv über ihre Erfahrungen. Die Wirksamkeit von systemischen Aufstellungen ist vielleicht nicht eindeutig wissenschaftlich erklärbar, aber sie ist definitiv erfahrbar. Sonst wären sie auch nicht so beliebt.

Allerdings gibt es inzwischen unglaublich viele Personen, die Aufstellungen anbieten, manche leider mit unausgereiften Methoden. Nicht jede:r, der:die eine Aufstellung anbietet, ist ausgebildeter Coach oder Therapeut:in oder hat eine Ausbildung in Psychologie. Es gibt qualitativ sehr große Unterschiede zwischen Aufsteller:innen!

Auch dient nicht alles, was eine spektakuläre Wirkung hat, tatsächlich der Lösung von Schwierigkeiten oder der Weiterentwicklung des:der Themengebers:in!

Gefahren bei unsachgemäßer Durchführung

Folgende Gefahren bestehen, falls eine Aufstellung unprofessionell durchgeführt wird:

  • Aufstellungen können emotionale Belastungen verursachen, da sie tiefe und oft unbewusste Themen und Dynamiken in Systemen ansprechen können. Dies kann zu unerwartet starken Emotionen bei den Teilnehmenden führen, insbesondere wenn es um schmerzhafte oder traumatische Erlebnisse geht.
  • Wenn Aufstellungen nicht von qualifizierten und erfahrenen Fachleuten durchgeführt werden, kann dies zu Fehlinterpretationen, Verwirrung oder unangemessenen Schlussfolgerungen führen. Eine unsachgemäße Anwendung der Methode kann dazu führen, dass problematische oder schädliche Dynamiken im System verstärkt werden.
  • In einigen Fällen haben unprofessionell durchgeführte Aufstellungen schon zu einer erneuten Aktivierung traumatischer Erinnerungen geführt. Dies kann besonders dann auftreten, wenn Teilnehmende mit tiefgreifenden emotionalen Themen konfrontiert werden, die sie nicht angemessen verarbeiten können.
  • Bei unsachgemäßer Durchführung könnten Aufstellungen Fehlinformationen oder falsche Schlussfolgerungen über Beziehungen oder Dynamiken in einem System hervorrufen. Dies könnte zu einer Verzerrung der Realität führen und problematische Entscheidungen beeinflussen.

Die Bedeutung einer qualifizierten Aufstellungsleitung

Die Art und Weise, wie eine Aufstellung wirkt, hängt also stark von der Qualifikation, der Sichtweise und der Wahrnehmung des:der Aufstellungsleiters:in ab. Seine:ihre Art, die Dinge zu sehen, die Qualität des Austauschs, seine:ihre Fähigkeit zur Reflexion dessen, was in der Aufstellung passiert sowie seine:ihre Vorgehensweise beeinflussen wesentlich den Verlauf einer Aufstellung.

Der:die Aufstellungsleiter:in hat die Herausforderung, den Prozess angemessen zu steuern, ohne die Systemdynamiken zu verzerren. Gleichzeitig muss er:sie offen sein für alles, was sich im jeweiligen Moment zeigt. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der Methoden, eine aufmerksame Haltung und die Fähigkeit zur Balance zwischen Eingreifen und Zurückhaltung.

Seine:ihre innere Haltung muss geprägt sein von Absichtslosigkeit, Neutralität und Allparteilichkeit. Dies schützt vor zu schnellen Urteilen, Interpretationen, oder dem unbewussten Ausagieren von eigenen Fantasien. Maßgeblich sind immer das Wissen und die Wahrnehmung des:der Aufstellenden und seines:ihres Systems.

Eine systemische Vorgehensweise bedeutet, dass der:die Aufstellungsleiter:in klare Prozessschritte einhält. Die Durchführung soll strukturiert, professionell, verantwortungsbewusst, lösungsorientiert und sensibel sein.

Teilnehmende (bei Aufstellungen in der Gruppe) machen freiwillig mit, d.h. sie werden gefragt und können die Teilnahme in der Aufstellung auch ablehnen. Die emotionalen Bedürfnisse und Grenzen aller Teilnehmer:innen werden jederzeit respektiert.

Der:die Themengeber:in soll nach der Aufstellung nicht ratlos zurückbleiben. Vielmehr sollte eine Nachbearbeitung der Aufstellung in einer separaten Coaching-Sitzung zumindest angeboten werden!

Wenn du dich für eine Aufstellung interessierst, schau bitte genau hin, wer die Aufstellung leitet. Informiere dich über seine:ihre Methoden, und prüfe ob die Aufstellung in einem unterstützenden und professionellen Umfeld stattfindet.

Ausblick

Im nächsten und abschließenden Beitrag meiner Reihe über systemische Aufstellungen verrate ich dir, welche Arten von Aufstellungen es gibt und was meine ganz persönlichen Grundprinzipien für die Durchführung von Aufstellungen sind. Damit denke ich, habe ich alles beleuchtet, was für dich wichtig ist, um mit einem guten Gefühl und offenen Herzen in eine Aufstellung zu gehen.

Sollten noch Fragen offen sein oder wenn du bereit bist, ein eigenes Thema im Rahmen eines Einzelcoachings zu betrachten, dann kontaktiere mich gerne!

Be happy! 💖

Deine Bettina

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