Systemische Aufstellungen: Wurzeln und Entwicklung

6. Oktober 2023 | Methoden

Sagte ich schon, dass ich Aufstellungen liebe!? 😉

Warum? Weil ich oft erlebt habe, wie eine scheinbar undurchsichtige Situation plötzlich klarer wurde, nachdem wir sie in einer Aufstellung visualisiert haben. Wie ungelöste Konflikte oder langanhaltende Spannungen ans Licht gebracht wurden, die erstmal gar nicht so bewusst waren.

Solche Erkenntnisse bringen Klarheit und sind somit der erste Schritt auf dem Weg zu einer Veränderung oder Lösung einer Situation. Die Möglichkeit, durch Aufstellungen das Unsichtbare sichtbar zu machen und tiefe Erkenntnisse zu fördern, fasziniert mich immer wieder aufs Neue.

Im letzten Beitrag habe ich dir einige wichtige Begriffe erklärt, die helfen, die Methode der systemischen Aufstellungen zu verstehen. Zur Erinnerung kannst du das gerne nochmal hier nachlesen.

Im heutigen Beitrag geht es um die Wurzeln von systemische Aufstellungen. Denn namhafte Psychotherapeuten und Psychiater waren an der Entwicklung dieser Methode maßgeblich beteiligt. Aufstellungen wurden zunächst überwiegend in der Psychotherapie verwendet.

In den 1990er Jahren machte Bert Hellinger diese Methode dann einem breiteren Publikum zugänglich und wurde damit sehr bekannt. Er feierte viele Erfolge, erntete aber auch harsche Kritik für seine Vorgehensweise. Manche Aufsteller:innen erwähnen ganz explizit, „nach Hellinger“ zu arbeiten. Hier erfährst du, was das bedeutet.

Hast Du Lust auf eine kleine Zeitreise?

Das Psychodrama nach Jacob Moreno

Die methodischen Wurzeln der Aufstellungsarbeit reichen bis in die 1920er Jahre zurück. Damals entwickelte der österreichische Arzt und Psychotherapeut Jacob Moreno die Methode des Psychodramas. Er glaubte, dass Menschen durch das Ausleben von Emotionen und das Erkunden von neuen Verhaltensweisen ihre Fähigkeit zur Veränderung und zur Bewältigung von Problemen verbessern können.

Beim Psychodrama handelt es sich um ein Rollenspiel, in dem dramatische Elemente wie Requisiten und Kostüme verwendet werden. Es soll die Atmosphäre eines Theaters geschaffen werden. Dadurch können sich die Teilnehmer besser in die dargestellte Situation hineinversetzen und ihre Gefühle ausdrücken.

Die Patienten spielen verschiedene Rollen, einschließlich ihrer eigenen, um Konflikte und Probleme auszudrücken und zu verstehen. Dies ermöglicht es den Menschen, sich in die Perspektiven anderer hineinzuversetzen und verschiedene Handlungsoptionen zu erkunden.

Das Psychodrama wird oft in Gruppen durchgeführt, wodurch soziale Unterstützung und Interaktionen in einem sicheren Umfeld gefördert werden.

Moreno entwickelte verschiedene spezifische Techniken, wie beispielsweise das „Spiegeln“, bei dem andere Gruppenmitglieder die Gefühle und Gedanken einer Person widerspiegeln, um deren Perspektive zu erweitern. Die Idee ist, dass die Lösungen in der Interaktion und Kommunikation zwischen den Beteiligten entstehen.

Die Skulpturarbeit von Virginia Satir

Virginia Satir war eine US-amerikanische Psychotherapeutin und Familientherapeutin, die ab den 1950er Jahren für ihre systemische Familientherapie bekannt wurde. Satir konzentrierte sich auf die Arbeit mit Familien und deren Interaktionen. Sie entwickelte eigene Techniken und Ansätze, um Familienkommunikation und -dynamiken zu verbessern.

Eine ihrer bekanntesten Techniken ist die „Familienskulptur“ oder „Familiendrama“. Obwohl dies nicht dasselbe ist wie das Psychodrama, zeigt es Parallelen in Bezug auf die Verwendung von Rollenspielen und Darstellungen von Familienbeziehungen. In der Familienskulptur werden Familienmitglieder physisch angeordnet, um die Beziehungen und Dynamiken in der Familie zu verdeutlichen und zu erkunden.

Jacob Moreno und Virginia Satir hoben die Bedeutung von Interaktionen und Beziehungen in der Psychotherapie hervor. Sie haben maßgeblich zur Entwicklung der systemischen Therapie beigetragen.

Die Hypnotherapie von Milton Erickson

Auch die Hypnotherapie des US-amerikanischen Psychiaters Milton Erickson beruht auf einem systemischen Ansatz. Hier wird angenommen, dass psychische Probleme und Symptome in einem größeren Kontext, sei es in familiären Beziehungen oder im individuellen Bewusstsein, verwurzelt sein können.

Erickson ging davon aus, dass viele psychische Prozesse im Unbewussten ablaufen. Er verwendete gern Metaphern, um komplexe Ideen oder Konzepte zu veranschaulichen. Dies half den Klienten, ihre eigenen Gedanken, Gefühle und Erfahrungen zu erkunden.

Seine metaphorische Kommunikation findet sich in Aufstellungen wieder z.B. durch die Positionierung von Stellvertretenden. Diese nehmen eine räumliche Anordnung ein, die metaphorisch die Beziehungen und Dynamiken innerhalb des Systems darstellt.

Die Positionen und Bewegungen der Stellvertretenden können metaphorische Informationen über die Konflikte und Verbindungen im System liefern. Auch die Kommunikation zwischen Stellvertretenden kann metaphorisch für die Kommunikation oder Konflikte stehen, die in der realen Welt zwischen den beteiligten Personen oder Elementen auftreten.

Die kontextuelle Therapie von Iván Böszörményi-Nagy

Die kontextuelle Therapie des ungarischen Arztes und Psychotherapeuten Iván Böszörményi-Nagy konzentriert sich auf die Untersuchung von Werten, Verantwortung und moralischen Fragen in familiären Beziehungen. Solche moralischen Fragen können z.B. Schuld, Loyalität oder ethische Verpflichtungen sein. Seine Therapie legt einen starken Schwerpunkt auf die Bedeutung von Beziehungen und Kontexten.

Elemente aus der kontextuellen Therapie fanden Einzug in die Aufstellungsarbeit, insbesondere in die Familienaufstellung, in der die Dynamik und die Verbindungen innerhalb eines Familiensystems erkundet werden.

Die Lösungsfokussierte Kurztherapie von Steve de Shazer

Zum Schluss erwähne ich noch die Lösungsfokussierte Kurztherapie des US-amerikanischen Psychotherapeuten Steve de Shazer, die ebenfalls Einfluss auf die (Weiter-)Entwicklung der Aufstellungsarbeit genommen hat.

Die Lösungsfokussierte Kurztherapie konzentriert sich stark auf die Ressourcen und Stärken des Klienten. Wie in der Aufstellungsarbeit auch wird untersucht, wie individuelle und systemische Ressourcen genutzt werden können, um Lösungen für Probleme zu finden. Beide Ansätze betonen die Fähigkeit des Klienten, positive Veränderungen herbeizuführen.

Sowohl die Lösungsfokussierte Kurztherapie als auch die Aufstellungsarbeit sind zukunftsorientiert und richten den Fokus auf die Erreichung von Zielen und die Entwicklung von Lösungen, anstatt sich ausschließlich auf die Analyse von Problemen und die Vergangenheit zu konzentrieren.

Bitte beachte, dass es sich bei allen genannten Therapieformen um jeweils eigenständige Ansätze handelt, mit unterschiedlichen Techniken und Herangehensweisen. Sie alle gehören in den Bereich der Psychotherapie. Einzelne Elemente aus diesen Therapieformen wurden aber in die moderne Coaching- und Aufstellungsarbeit übernommen.

Weiterentwicklung zur modernen Aufstellungsarbeit

Ich erinnere deshalb an diese historischen Vorläufer der Aufstellungsarbeit und ihre Wurzeln in der Psychotherapie, weil die Methode in Deutschland lange Zeit sehr eng mit der stark umstrittenen Person Bert Hellingers assoziiert wurde.

Im Verlauf der 1970er bis 1990er Jahre entwickelte Hellinger das sog. Familienstellen als gruppendynamisches Verfahren. Die öffentlichen Aufstellungen und Vorträge des ehemaligen Missionars machten „Aufstellungsarbeit nach Hellinger“ in weiten Teilen der Bevölkerung populär. In therapeutischen Fachkreisen hingegen stießen sein „pastorales Auftreten“, seine sehr vereinfachte Methode und sein direktives Vorgehen auf viel Kritik und Ablehnung.

Mittlerweile haben sich die Diskussionen versachlicht. Es findet heute ein breiter wissenschaftlicher Diskurs von Fachleuten innerhalb der Systemischen Therapie und Beratung statt, welche die Methodik der Familienaufstellungen definiert und weiterentwickelt. Die Professionalisierung der Aufstellungsarbeit zog die Gründung mehrere berufsübergreifender Fachverbände nach sich wie z.B. die Deutsche Gesellschaft für Systemaufstellungen (DGfS).

Bereits früh hat die Methode den Weg in die Wirtschaft gefunden. Der Beginn wird auf das Jahr 1998 datiert, als der Psychiater und Systemische Familientherapeut Gunthard Weber eine erste Aufstellungs-Tagung in Wiesloch organisierte.

Parallel erschien sein Grundsatzartikel, in dem er zusammen mit der Psychotherapeutin Brigitte Gross die Grundzüge des Aufstellens von Organisationen erstmalig zusammenfasste. Heute sind Aufstellungen eine anerkannte Managementmethode, welche in der Organisationsberatung, im Führungskräftetraining sowie im Coaching angewendet wird.

Die Kontroversen um Bert Hellinger

Wie schon erwähnt, begann Hellinger in den 1990er Jahren damit, Familienaufstellungen als Live-Events auf großer Bühne durchzuführen. Er hatte mehrere Tausend Menschen als Zuschauer. Damit macht er diese Methode über die Psychotherapie hinaus einem breiten Publikum bekannt, erntete aber auch viel Kritik. Denn seine dogmatischen Äußerungen und Interpretationen schränkten die Autonomie der Teilnehmenden enorm ein. Es bestand die Gefahr, dass er seinen Klienten etwas suggerierte, das einfach nicht stimmte.

Sein Rollenverständnis war sehr konservativ und sein Umgang mit den Klienten oft ungeduldig und rigide. Er interpretierte Aufstellungen als „phänomenologische Wahrheit“ und agierte als Aufstellungsleiter sehr direktiv.

Kritik an seiner Aufstellungspraxis

Besonders kritisiert wurde u.a. dass

  • seine „Ultra-Kurz-Events“ angeblich große Veränderungen herbeiführen könnten.
  • seine Aufstellungen auf eigenen Beobachtungen und Erfahrungen beruhten, nicht auf wissenschaftlicher Forschung oder systemischen Ansätzen.
  • er sich einer ernsthaften und kritischen Diskussion seiner Vorgehensweisen entzog.
  • seine Aufstellungspraxis esoterische und spirituelle Elemente enthielt, wie etwa die Idee von „systemischen Ordnungen“ und die Einbeziehung von Konzepten wie „Seelenbindung“.
  • er Kausalitäten falsch interpretierte oder ungenau darstellte.
  • er nicht ausreichend ethische Verantwortung übernahm. Durch die Zurschaustellung von Teilnehmern auf großer Bühne konnte es zu starken emotionalen Belastungen kommen, insbesondere wenn es um traumatische Erlebnisse oder sensible Themen ging.
  • eine Nachbetreuung nach der Aufstellung fehlte.

Einige Menschen haben von seinen Aufstellungen jedoch durchaus profitiert und berichten von positiven Veränderungen in ihrem Leben.

Wie bei vielen alternativen Ansätzen ist es entscheidend, eine kritische Haltung zu bewahren, um die Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen und fundierte Entscheidungen zu treffen.

Positiven Auswirkungen seiner Arbeit

  • Hellinger hat die Familienaufstellungen bekannt und in breiteren Kreisen populär gemacht.
  • Durch seine Workshops, Bücher und Vorträge lenkte er die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese Methode und trug dazu bei, sie einem größeren Publikum zugänglich zu machen.
  • Innerhalb kürzester Zeit entstand eine Gemeinschaft von Aufstellungsleitern und Anhängern, die sich weltweit verbreitete. Dieses Netzwerk hat den Austausch von Wissen, Erfahrungen und Praktiken gefördert und zur Weiterentwicklung der Aufstellungsarbeit beigetragen.
  • Hellinger hat die Vielseitigkeit und die unterschiedlichen potenziellen Anwendungsbereiche der Aufstellungen hervorgehoben.
  • Seine Arbeit hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für die Bedeutung von Systemdynamiken und familiären Einflüssen auf individuelle Probleme zu schärfen.
  • Hellingers kontrovers betrachtete Ansätze regten die Förderung von Forschung und Weiterentwicklung in Bezug auf Aufstellungen an. Dies führte zu einer breiteren Palette von Techniken, Ansätzen und theoretischen Modellen, die in der modernen Aufstellungspraxis genutzt werden.
  • Es entwickelten sich neue Standards und Ausbildungsrichtlinien für Aufstellungsleiter:innen, was zu einer höheren Professionalisierung der Praxis beigetragen hat und dazu, dass Aufstellungen von qualifizierten Fachleuten durchgeführt werden.

Abgrenzung

Die moderne Aufstellungsmethodik hat sich also durch die kontroverse Auseinandersetzung mit Hellingers Methoden bedeutend weiterentwickelt. Sie hat sich aber inzwischen auch weitestgehend von Hellingers Ansätzen abgegrenzt.

Es gibt verschiedene Strömungen und Schulen innerhalb der Aufstellungsarbeit, die unterschiedliche Theorien, Ansätze und Schwerpunkte betonen. Einige Aufstellungsleiter:innen haben sich von esoterischen Elementen entfernt und stärker wissenschaftliche, psychologische oder systemische Ansätze integriert.

In diversen berufsübergreifenden Fachverbänden auf nationaler und internationaler Ebene wird die Aufstellungsarbeit heute fachlich diskutiert und stetig weiterentwickelt.

Meine Aufstellungen

Nun hast du einen Überblick über die Wurzeln der systemischen Aufstellungsarbeit und ihre Entwicklung in den letzten 100 Jahren.

Wenn du gerne mal ein eigenes Thema aufstellen möchtest, empfehle ich dir, dich vorab genau zu erkundigen, welche Methodik der:die Aufsteller:in anwendet, wie der Ablauf ist und ob du z.B. noch ein Nachgespräch bekommst. Die Methode „nach Hellinger“ wird heute noch vielfach angeboten, entspricht in der klassischen Form aber nicht mehr den aktuellen, modernen Aufstellungsstandards.

Was du bei mir erwarten kannst

Ich bin zertifizierter systemisch-kinesiologischer Coach. D.h. zusätzlich zu meiner systemischen Vorgehensweise verwende ich nach Absprache auch kinesiologische Methoden. Was das genau bedeutet, erkläre ich hier. Grundsätzlich arbeite ich nach den neuesten Standards und bilde mich regelmäßig fort.

Meine Aufstellungen haben keinen therapeutischen Anspruch, sondern dienen der Visualisierung und Selbsterkenntnis. Sie sind Bestandteil eines Coaching- Prozesses mit Vor- und Nachgespräch.

Ich führe Aufstellungen in meinen Einzelcoachings nur live in meiner Praxis in München durch, nicht online.

Dafür verwenden wir in der Regel wunderschöne große Holzfiguren und Stofftiere, die du auf dem Boden in der Praxis aufstellen kannst. Manchmal kommen aber auch kleinere Holzfiguren auf dem Systembrett zum Einsatz.

Besonders wichtig ist mir, empathisch, sanft aber auch lösungsorientiert und effektiv vorzugehen, so dass du möglichst viel Erkenntnis und Impulse aus deiner Aufstellung mitnehmen kannst. Die Lösung deines Problems liegt bereits in dir! Gemeinsam machen wir sie sichtbar. Probiere es einfach mal aus!

So. Nach all der Theorie und Geschichte in Teil 1 und Teil 2 meiner Reihe zu systemischen Aufstellungen, schauen wir uns im nächsten Beitrag nun an, wie so eine Aufstellung überhaupt abläuft. Freue dich also schon auf den nächsten Blog-Post in zwei Wochen! 😊

Falls du so lange nicht warten möchtest und Interesse an einer Aufstellung hast, kannst du natürlich jederzeit direkt in Kontakt mit mir treten:

Be happy! 💖

Deine Bettina

Hi, ich bin Bettina

Life & Business Coach

Ich helfe dir, wieder in Kontakt mit dir selbst zu kommen, Wege aus der Stress-Spirale zu finden, deine wahre Berufung zu entdecken und diese Schritt für Schritt in dein Leben zu integrieren.

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